"Entavio": Grüne wollen TV-Verschlüsselung verhindern

  • Die umstrittene "Entavio"-Plattform von SES Astra beschäftigt nun auch die Abgeordneten in Berlin: Die Bundestagesfraktion von Bündnis90/Die Grünen will eine Verschlüsselung von Fernsehsignalen notfalls gesetzlich verhindern.


    Dazu legten die Abgeordneten Grietje Bettin, Ekin Deligöz, Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn) und Krista Sager dem Bundestag bereits am Donnerstag einen Antrag (vorläufige Fassung) vor, der einen kostenfreien Empfang von Rundfunk per Satellit und vor allem DVB-T sicherstellen soll. Die Erfolgsaussichten des Vorhabens sind ungewiss.


    Die Fraktion kritisiert in erster Linie die Entstehung des "gläsernen Kunden" und fordert im Fall einer Grundverschlüsselung Maßnahmen zur Sicherung des Datenschutzes zu treffen. Gleichzeitig sollen gesetzliche Regelungen erarbeitet werden, die den freien Empfang von Vollprogrammen des Rundfunks für alle Bürger garantieren, heißt es in dem Antrag. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme sollen von einer zusätzlichen Gebühr für die Satellitenübertragung generell ausgespart bleiben, gleichzeitig müsse auch der Rundfunkempfang via DVB-T insgesamt unverschlüsselt bleiben, fordern die Abgeordneten.


    Die Grünen wollen mit den Bundesländern auch prüfen, ob sich durch das Zusammengehen von Inhalteanbietern und Infrastrukturanbietern neue "Bewertungsnotwendigkeiten" bei Marktmacht und Meinungsvielfalt ergeben, drohen also mit der kartellrechtlichen Keule. Dies würde dann auch Kabelnetzanbieter wie Unity Media betreffen, die neben ihren Netzen auch als Inhalteanbieter (Arena) auftreten. Auch die Grundproblematik der Verschlüsselung gilt für die Netzbetreiber. Dort sind die privaten Sender generell codiert und werden auf einer Smartcard freigeschaltet.


    Falls eine Programmverschlüsselung über Satellit nicht verhindert werde könne, sei zumindest ein "Prepaid-Modell" zur Abrechnung der Kunden vorzuziehen, hieß es. Die Form der Abrechnung würde eine unkontrollierte Weitergabe von Daten über das Konsumverhalten der Endkunden verhindern. Eine anonyme Nutzung würde möglich bleiben.


    Problematisch sind für die Grünen auch die geplanten Zugangskosten von mindestens 3,50 Euro monatlich. Teile der Bevölkerung, die weniger zahlungskräftig seien, würden sich die verschlüsselten Vollprogramme finanziell nicht leisten können. Die Folge wäre nach Auffassung der Bundestagsfraktion eine "Spaltung der Zuschauer mit einem breiten Zugang zu Informationen und anderen mit verringertem Zugang zu Informationen". Dies widerstrebe dem Ziel, eine Informationsgesellschaft voranzubringen.


    Die Verschlüsselung des digitalen Fernsehprogramms würde das deutsche Mediensystem zudem grundlegend verändern, glauben die Politiker: Der Weg zum Bezahlfernsehen würde geebnet und damit das Angebot an frei empfangbaren Kanälen verringert. Dass die Einführung von Pay-TV führt nicht zu einer Qualitätsverbesserung führe, zeige das Fernsehprogramm in den USA. Eine Grundverschlüsselung von Vollprogrammen widerspreche zudem den in einer EG-Fernsehrichtlinie (89/552/EWG) festgelegten grundlegenden europäischen Prinzipien wie Sicherung des grenzüberschreitenden Fernsehens, freier Informationsfluss und Meinungsaustausch.


    Nach bisherigen Planungen wollen RTL und MTV ihre Free-TV-Programme ab dem dritten Quartal 2007 verschlüsseln, allerdings noch ein Jahr auch uncodiert per Satellit digital verbreiten. Spätestens Ende 2008 soll der Hebel dann umgelegt werden. ProSiebenSat.1 will mit einer Entscheidung noch abwarten. Kleinere Sender wollen ebenfalls codieren, Giga Digital und Tele5 haben sich dagegen ausgesprochen. Auch ARD und ZDF wollen ihre Programme über Satellit nicht verschlüsseln. Die teilnehmenden Sender sollen einen Anteil an den Einnahmen der Gebühr in bislang unbekannter Höhe erhalten.


    Zum Empfang der Kanäle sind neue DVB-S-Receiver mit CI-Schnittstelle oder mit einem integrierten Entschlüsselungssystem erforderlich. Dabei müssen spezielle technische Spezifikationen eingehalten werden, die unter anderem den beteiligten Sendern über ein DRM-System weitreichende Mitspracherechte bei der Verwertung der Ausstrahlungen einräumen, z.B. bei TV-Aufzeichnungen. Unter anderem stehen dann freie USB-Schnittstellen zur Disposition, die "Entavio"-Receiver-Menüs werden standardisiert.


    Am Donnerstagabend hatte der bisherige Chef der Astra-Verschlüsselungsplattform "Entavio", Wolfgang Keuntje, überraschend seinen Abtritt zum Jahresende angekündigt (SAT+KABEL berichtete ausführlich). SES Astra bezeichnete das Vorhaben stets als diskriminierungsfrei und reagierte damit nach eigenen Angaben lediglich auf einen wachsenden Bedarf seitens der Privatsender nach Verschlüsselung.


    Quelle: Sat+Kabel

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